Geist im Gehirn?

Geist im Gehirn?

Seminar zu Philosophie und Kognitionswissenschaften

In unserem gegenwärtigen Selbstverständnis verbirgt sich eine elementare Paradoxie: Wir schreiben dem Menschen einerseits gewisse Eigenschaften und Fähigkeiten zu, die ihn als bewusstseinsbegabtes Wesen von den physischen Dingen seiner Umwelt abgrenzen. Dies reicht von schlichten Emotionen und Empathie bis hin zu freien und rationalen Entscheidungen. Andererseits beanspruchen die bahnbrechenden Entdeckungen der Neuro- und Kognitionswissenschaften, dass unser naturwissenschaftliches Weltbild auch solche ‚geistigen‘ oder ‚psychischen‘ Eigenschaften zu erklären vermag. Unser Geist scheint demnach grundsätzlich auf neuronale Prozesse reduziert oder sogar durch die Programmierung von Computern künstlich erzeugt werden zu können.

Anders als bei anderen naturwissenschaftlichen Entdeckungen kommt es dabei jedoch an zentralen Stellen zu einem Konflikt mit unserem gewöhnlichen Selbstverständnis: Wie können wir von ‚freien‘ Handlungen sprechen und Menschen als ‚verantwortlich‘ oder ‚schuldfähig‘ bezeichnen, wenn die Ursachen unserer Handlungen in kausal bestimmten Gehirnprozessen bestehen? Verweist das ganz und gar subjektive ‚Sich-Anfühlen‘ jedes bewussten Erlebens – der spezifische Geschmack einer Kugel Eis ebenso wie Schmerzen oder Farbwahrnehmungen – nicht auf eine Grenze für die objektiv verfahrenden Naturwissenschaften? Und kann so etwas wie ‚Selbstbewusstsein‘ durch die schlichte Komplexität unserer neuronalen Informationsverarbeitung erklärt werden? Wir wollen diesen Fragen insbesondere vor dem Hintergrund von prominenten Texten aus der Gegenwartsphilosophie sowie anhand von kognitionswissenschaftlichen Experimenten nachgehen.

Das Seminar wurde von den Philosophen Frank Steffen und Maren Wehrle geleitet, die ihre Schwerpunkte in der ‚Philosophie des Geistes‘, in der Phänomenologie sowie in den Kognitionswissenschaften haben. Neben denjenigen Teilnehmern, die sich für Philosophie, Neurologie oder Kognitionswissenschaften interessieren, stand das Seminar allen offen, die sich über das Feuilleton hinaus mit den genannten Fragen auseinandersetzen wollen. Entscheidend ist die Lust an der Diskussion sowie die Bereitschaft, scheinbar selbstverständliche Begriffe gemeinsam zu hinterfragen, die für das künftige Verständnis und den Umgang des Menschen mit sich selbst von wesentlicher Bedeutung sind.