Wahrheit und Lüge der Nationen

Wahrheit und Lüge der Nationen

Seminar zur Politischen Philosophie, Literaturwissenschaft und Diplomatie

Freiheit für das Volk
„Nationen als natürliches, gottgegebenes Mittel, Menschen in Gruppen einzuteilen [...] als politische Bestimmung, sind ein Märchen; der Nationalismus hingegen, der manchmal bestehende Kulturen ergreift und in Nationen verwandelt, manchmal welche erfindet und oft welche auslöscht: das ist Wirklichkeit.“
Maurice Block,
Das Prinzip der Nationalitäten

Nationalität bestimmt unsere Identität ähnlich wie Geburtsort, Name und Geburtsdatum. In Ausweis und Reisepass ist sie schlicht als Staatsangehörigkeit vermerkt. Wenn wir aber über Nationalismus und Unabhängigkeitsbestrebungen in Europa reden oder über Völkerrecht und die Vereinten Nationen, dann geht es um mehr als ein bloßes Adjektiv in einem behördlichen Dokument.

Im Seminar werden wir uns mithilfe literaturwissenschaftlicher Methoden mit den teils erfundenen und teils wahren Erzählungen moderner Nationen beschäftigen. In kritischer Auseinandersetzung mit Texten, Bildern, Filmausschnitten und anderen Medien widmen wir uns u. a. den folgenden Fragen: Welche Geschichten und Legenden knüpfen sich an die Landschaften, Traditionen, Territorialgrenzen und Ressourcen unserer jeweiligen Heimat? Brauchen wir nationale Erzählungen um die Einheit moderner Gesellschaften aufrechtzuerhalten? Tragen nationale Mythen zum friedlichen Miteinander oder eher zur feindlichen Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen bei? Inwiefern werden Geschichten als Waffen im Informationskrieg eingesetzt? Und wie lassen sich kulturelle Besonderheiten einer Nation im Sinne der Völkerverständigung und pluralistischer Gesellschaften nach innen und nach außen präsentieren?


Mit diesen und weiteren Fragen richtet sich das Seminar an alle, die sich für das identitätsstiftende Potential von Erzählungen, für Diplomatie in einer globalisierten Welt, für Territorialkonflikte und Migrationsbewegungen oder für eine kritische Auseinandersetzung mit geschichtlichen Ideologien interessieren. Die Teilnahme setzt ausdrücklich keine Fachkenntnisse voraus. Sie ermöglicht vielmehr den Erwerb wichtiger Fertigkeiten der wissenschaftlichen und praktischen Arbeit in den Bereichen Politikwissenschaft, Literatur-, Kultur und Medienwissenschaften, internationale Beziehungen und Diplomatie.

Das Seminar wird von der Kulturdiplomatin und Germanistin Rita Valiukonytė sowie vom Philosophen und Literaturwissenschaftler Vincent Heßling geleitet.