Was ist Recht?

Was ist Recht?

Seminar zur Rechtstheorie und Rechtswissenschaft

So vertraut uns die Begriffe Recht und Gerechtigkeit auch sein mögen, so schwer scheint es doch, sie genau zu fassen. Nicht nur das wachsende Gewirr geltenden Rechts scheint undurchsichtig, sondern auch der Begriff des Rechts selbst führt schnell zur Verwirrung. Ist Recht die Gesamtheit der Gesetze, also mit dieser gleichzusetzen, oder gibt es ein Recht außerhalb der Gesetze? Wenn ja, in welchem Verhältnis stehen Recht und Gesetz dann zueinander? Wie können wir einen Maßstab gewinnen, welchen Gesetzen wir folgen müssen und welchen nicht? Oder gibt es eine Pflicht, jedem Gesetz zu folgen, nur weil es gilt, auch wenn es uns als Unrecht scheint oder gar von einem ungerechten Herrscher oder Unrechtsstaat erlassen wurde? Gibt es ein Recht auf Widerstand gegen solche Gesetze oder sogar eine Pflicht, sich dem ungerechten Gesetzgeber zu widersetzen?
Ist Recht das Mittel, um Gerechtigkeit herzustellen oder nur notwendiges Übel, um an Stelle eines Krieges Aller gegen Alle ein Gemeinwesen, einen Staat zu ermöglichen?

Im Seminar wollen wir diese Fragen von zwei Gesichtspunkten aus betrachten. Im ersten Teil des Seminares sollen anhand klassischer und zeitgenössischer Text einige maßgebende Positionen in der Geschichte der Rechtstheorie erarbeitet werden, um so die Begriffe Recht und Gerechtigkeit aufzuklären.

Dazu werden wir uns zunächst anhand kurzer Textabschnitte aus den Werken Aristoteles‘ und Ulpians mit den Grundlagen des modernen Rechts in der Antike befassen, wobei wir Platon als scharfen Kritiker und radikalen Verfechter von positivem Recht zu Sprache kommen lassen. Im zweiten Schritt werden wir uns mit der sogenannten Naturrechtsdebatte befassen, das heißt, der Frage nachgehen, ob sich Recht allein aus geltenden Gesetzen ableiten läßt oder ob es vielmehr idealistischer Voraussetzungen wie Freiheit und Moral bedarf. Insbesondere den Zusammenhang von Recht, Moral und Freiheit wollen wir diskutieren. Hierzu werden wir Textausschnitt aus den Werken Hobbes, Kants, Hegels und Kelsens lesen. Drittens werden wir uns mit der Spannung von Recht und Gerechtigkeit befassen, wobei wir Texte von Radbruch und Rawls behandeln werden.

Im zweiten Teil des Seminares werden wir eine Brücke zur Praxis schlagen, indem wir die theoretischen Fragen am Beispiel des deutschen Grundgesetzes und anhand maßgebender deutscher Rechtsprechung prüfen.